Frauen und Geld – eine schwierige Geschichte

Warum tun sich Frauen so schwer mit Geld? Darf man das überhaupt so sagen? Ich würde sagen, ich darf. Ich habe mich ausführlich mit dem Thema beschäftigt und bereits über 200 Frauen in meinen Webinaren begrüsst. Zudem versuche ich tagtäglich, Frauen zu motivieren, ihre Finanzen proaktiv anzupacken.

Ich kann aus dem Nähkästchen plaudern und sagen; es ist eine Herausforderung. Frauen schieben das Thema gerne vor sich hin oder sogar von sich weg. Das sagen nicht nur die Statistiken, sondern das erlebe ich auch im Alltag. Ich habe einige Punkte identifiziert, welche die Umstände erklären und zeigen, dass Frauen bei diesem Thema für ihre Unabhängigkeit noch mehr Initiative zeigen dürften.

1. Die Zeit als Faktor

Verheiratete Frauen dürfen in der Schweiz erst seit 1988 ohne die Unterschrift des Ehemanns ein eigenes Bankkonto eröffnen! Das ist keine Entschuldigung, aber eine Begründung dafür, warum es in der Schweiz für Frauen noch nicht selbstverständlich ist, die Verantwortung für ihre Finanzen zu übernehmen. Gesellschaftlicher Wandel braucht Zeit. Wir stecken mittendrin und ja, es geht zu langsam, aber berücksichtigt man diesen Fakt, ist es verständlicher. Es fehlen die Vorbilder und unsere Glaubenssätze, die in der Kindheit gebildet wurden, beruhen auf dem Umgang unserer Eltern mit Geld. Nun geht es daran, dass wir Frauen uns davon verabschieden und neue Rollenbilder schaffen.

2. Die Verantwortung abgeben

​Frauen haben schon einen enormen Mental Load. Zusätzlich kommen jetzt noch die Finanzen hinzu. Man muss sich informieren, einarbeiten und Entscheidungen treffen. Das alles braucht Zeit. Deshalb ist es einfacher, die Verantwortung abzugeben. 7 von 10 Schweizer Frauen überlassen die langfristige Finanzplanung ihrem Partner. Leider ist das zu kurzfristig gedacht. Frauen leben länger als Männer und fast die Hälfte aller Ehen wird geschieden. Deshalb ist die Chance gross, dass du dich irgendwann selbst darum kümmern musst. Mach es lieber früher als später!

3. Die eigenen Erwartungen

Ich habe festgestellt, dass Frauen grosse Hemmungen haben, über das Thema Geld und ihre finanziellen Pläne zu sprechen. Während Männer eher mal über ihre letzten Investitionen diskutieren, ist das bei Frauen sehr selten. Auch bei Gesprächen über Finanzen mit Fachpersonen hört man, dass Frauen sich nicht beteiligen. Bei meinen Webinaren beginnt jede zweite Meldung mit «Ich habe eine dumme Frage…». Oft halten sich Frauen zurück aus falscher Scham, etwas Blödes zu sagen. Diese hohe Erwartungshaltung an einem selbst hindert Frauen, beim Thema Finanzen voranzukommen.

4. Haushaltsbudget ja – langfristige Finanzen nein

Frauen und Geld bedeutet in den meisten Familien, dass Frauen die täglichen Finanzentscheidungen treffen. Sie bestimmen über die Haushaltsausgaben, budgetieren und managen das Bargeld. Eine sehr wichtige Aufgabe, denn wenn der Cash ausgeht, ist die Situation prekär. Trotzdem trauen sich Frauen diese Aufgabe ohne mit der Wimper zu zucken zu. Geht es aber um die langfristige Finanzplanung sieht es anders aus. Da tun Frauen sich schwer und geben das Thema ab oder ignorieren es. Das sieht man auch bei den Zahlen zur Säule 3a. Nur gerade 22 Prozent der Schweizerinnen investieren ihr Geld in der 3a in Wertschriften, während 36 Prozent der Männer dies tut. Dabei wäre das eine gute Möglichkeit, die Lücken, die viele Frauen in der Altersvorsorge haben, proaktiv anzugehen.

 5. Vom Risiko und finanzieller Bildung

Die weitverbreitete Aussage, dass Frauen beim Investieren weniger Risiko eingehen, kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Ich habe erlebt, dass Frauen bewusster Risiken eingehen. Sie sind informierter, wenn sie entscheiden, und gelassener, wenn es an der Börse schüttelt. Deshalb steht für mich fest, dass finanzielle Bildung der Schlüssel ist. Es braucht etwas Zeit und den Willen, sich zu informieren. Wenn Frauen dies aber tun, bekommen sie die Kontrolle über ihre Finanzen. Sie können mitbestimmen und dies bringt ihnen nicht nur in ihren eigenen Finanzen Macht, sondern auch in der Gesellschaft können sie mit mehr Geld mehr bewegen.

 

Fazit: Es ist ein Lifestyle-Thema

Schon in meinem letzten Gastbeitrag habe ich erwähnt, dass ich Finanzen für ein Lifestyle-Thema halte. Auch heute ist meine Konklusion, dass wir mehr darüber sprechen sollten. Finanzen sollten auch für Frauen ein Thema sein und zwar nicht nur im Marketing, sondern vor allem auch untereinander. Wir müssen das anpacken! Finanzielle Bildung ist der erste Schritt für fundierte Entscheidungen, aber auch um herauszufinden, wie wichtig das Thema ist. Sprechen wir also untereinander über unsere Pläne, über Misserfolge und natürlich auch Erfolge. Finanzen sollten so normal sein, wie die Diskussionen über Karriere, Kinder und das beste Restaurant. So schaffen wir neue Gewohnheiten und leben der nächsten Generation vor, dass Frauen und Geld durchaus einwandfrei zusammenpassen.

​Über unsere Gastautorin: Angela Mygind ist Direktionsassistentin und Finanzbloggerin. Ohne beruflichen Bezug zur Finanzbranche hat sie vor ein paar Jahren ihre Finanzplanung selbst in die Hand genommen und dabei festgestellt, dass viele Frauen das Thema vernachlässigen. Seither schreibt sie auf missfinance.ch in einfachen Worten über Frauen und Finanzen, die Börsenwelt und die Schweizer Altersvorsorge. Ihr Anliegen: Frauen für das Thema begeistern und Leichtigkeit in die Finanzen bringen.