Vorsorge die Spass macht und die Welt verändert

Christina Kehl ist eine Tausendsassa. Als Unternehmerin ist Vorsorge für sie mehr als bloss Sparen. Für sie ist klar: Das Thema Finanzen wird spannend und attraktiv, wenn man es mit den persönlichen Lebenszielen verknüpft. 

Christina, schon mit 19 gründetest du eine erste Firma. Du hast Passion fürs Unternehmertum. Wie bist du deine Vorsorge angegangen, um diesem Lebensstil gerecht zu werden?

Als Gründerin hatte ich weder Zeit noch Lust noch Geld für Vorsorge (*lacht*). Nein, im Ernst, man gründet eine Firma im Glauben, dass sie finanziell erfolgreich und ertragreich sein wird. Man setzt in diesem Moment alles auf diese eine Karte. Oft investiert man sogar eigenes Geld oder zumindest viel an Lebens- und Arbeitszeit, die man an anderer Stelle besser vergütet bekäme – alles in der Hoffnung auf den grossen Durchbruch.

Vermutlich ist dies auch das Privileg der Jugend, naiv genug zu sein, etwas zu probieren und zu wagen. Niemand muss aus meiner Sicht mit 25 Jahren einen Bausparvertrag oder eine Lebensversicherung abschliessen. Die Investitionen in diesem Alter sind andere: Studieren, reisen, Sprachen lernen, die Welt entdecken, Start-ups gründen, Fehler und Erfahrungen machen. 

Viele Menschen brauchen eine gewisse Überwindung, um sich mit Finanzen auseinanderzusetzen. Ist es dir dank deinem unternehmerischen Wesen einfacher gefallen?

Wenn man Finanzen als Teil der persönlichen Lebensplanung begreift, kann es zu einem sehr individuellen und spannenden Thema werden. Dann fängt es an, Spass zu machen. Wichtig ist aus meiner Sicht zu wissen, wofür in meinem Leben Geld konkret wichtig ist und welche Werte (zum Beispiel Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit) mich dabei beeinflussen. 

Vermögensaufbau, Kapitalanlage und eine geeignete Notfallplanung sind gleich viel leichter, wenn sie nach meinen Wünschen erfolgen, mich meinen Zielen näher bringen sowie zu mehr Lebensqualität  führen. Somit ist der Ausgangspunkt für jede Finanzplanung aus meiner Sicht zunächst einmal die Frage nach den kurz-, mittel- und langfristigen Lebenszielen – und die Finanzplanung wird nach dieser Zielsetzung zu meinem persönlichen Erfüllungsgehilfen auf dem Weg dahin.

Mein Portfolio ist auf einem 1.7*C Erwärmungsgrad und somit kompatibel mit den Vorgaben von Paris und Glasgow. An die Leser:innen: Was tragt ihr mit euren Geldanlagen zur Klimaerwärmung bei? 

Christina Kehl

Du sprichst von Werten, die die Finanzentscheidungen beeinflussen. Inwiefern können solche wert-orientierte Entscheidungen einen Unterschied machen?

Aus meiner Sicht halten die Finanzmärkte einen mächtigen Hebel in der Hand, um die ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts positiv zu beeinflussen. Geldanlagen haben Macht. Jede:r Anleger:in hat die Möglichkeit, in eine bessere Zukunft zu investieren. ESG (Environmental Social Governance) ist hierbei das neue Buzzword, doch sollte es nur als Mindeststandard gesehen werden. Was wir brauchen, sind Investitionen in Zukunftsbeweger. Also Menschen und Unternehmen, die die Welt von morgen besser, fairer, nachhaltiger und grüner gestalten.

Welche Werte haben dich bei deinen Anlagen geleitet?

Mein Kriterium war der Klimapfad: Mein Investment-Portfolio ist auf einem 1.7*C Erwärmungsgrad und somit kompatibel mit den Vorgaben von Paris und Glasgow. An die Leser:innen: Was tragen Sie, was tragt ihr mit euren Geldanlagen zur Klimaerwärmung bei und welche Lösungen bietet euer Portfolio? Dies sind spannende Fragen, die insbesondere auch Frauen interessieren könnten und sollten! 

Wie regelst du deine persönlichen Finanzen? Machst du alles selber oder setzt du auf Helfer, wie zum Beispiel Berater oder Vermögensverwalter? 

Als Verwaltungsrätin von Globalance glaube ich fest an die Vision und Mission der Bank und bin dort natürlich auch persönlich investiert und betreut. Darüber hinaus macht es mir als Fintech-Unternehmerin grossen Spass, neue, digitale Angebote auszuprobieren und zu nutzen: So ist Descartes Finance mein Robo Advisor erster Wahl, ich bin aber auch Userin von Yuh, Coinbase und zum Beispiel Revolut – und manage dort einen Teil meines Vermögens selbst.

Gibt es neue Entwicklungen in der Vorsorge, die du interessiert verfolgst?

Überaus spannend finde ich zum Beispiel F.I.R.E.

Auf den Seiten der Postfinance findet man dazu folgende Erklärung: Die FIRE-Bewegung ist ein Trend aus den USA, der vermehrt in Europa und in der Schweiz zu hören ist. Das Ziel: Schon weit vor dem üblichen Pensionsalter möchten die FIRE-Anhänger finanzielle Unabhängigkeit erreichen und so schon mit 40 aufhören zu arbeiten. Daher kommt auch der Name «Financial Independence, Retire Early» – zu Deutsch: finanzielle Unabhängigkeit, früher Ruhestand. Die meisten Anhänger der Bewegung sind Millennials, die ihr Leben ganz anders gestalten wollen als ihre Eltern und Grosseltern und nicht bis nach 60 arbeiten möchten. Dafür müssen sie aber nicht nur diszipliniert sparen, sondern auch diszipliniert anlegen.

Zum Schluss die Frage, wie wichtig ist für Dich Vorsorge?

Vorsorge per se im Sinne von «vorsorgen» spielt wohl für uns alle eine wichtige Rolle. Sei es gesundheitlich, finanziell aber auch im Sinne von einfach vorausschauend denken und handeln. Fehlt diese Weitsicht, sind wir zu reaktivem Handeln verdammt.

Danke!

Christina Kehl ist eine führende Unternehmerinnen der Schweiz im Digitalbereich und Vordenkerin der digitalen Transformation. Sie ist mehrfache erfolgreiche Start-up-Gründerin und Investorin und wurde unter anderem 2020 in den Verwaltungsrat der Schweizer Globalance Bank gewählt und ist seit 2017 jüngstes Mitglied im Beirat für digitale Transformation des Schweizer Bundesrates von WBF und UVEK.